In einer fragmentierten und immer komplexer werdenden Medienlandschaft ringen Unternehmen mehr denn je um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden und Konsumenten. Für die digitalen Medien gilt das in besonderer Weise. In diesem Umfeld geht es noch schneller, bunter und insgesamt unruhiger zu. Denn während im TV nach wie vor der klassische 30-Sekünder dominiert, variieren die Werbeformate digital viel stärker.
Eine spezielle Form neuer digitaler Formate, die durch die große Beliebtheit von Online-Video-Plattformen (wie etwa Youtube, Vimeo oder Twitch) an Bedeutung gewonnen hat, sind die sogenannten Bumper Ads, also Werbefilme einer Länge zwischen 5-7 Sekunden.
Der Grund dafür liegt in der Möglichkeit, Werbung nach 5 Sekunden zu überspringen, die viele der Plattformen bieten. Natürlich ist die damit verbundene Herausforderung nicht neu und viel Werbetreibende versuchen schon lange die Zuschauer so zu fesseln, dass sie einen Werbespot auch über die 5-sekündige „Zwangsfrist“ hinaus schauen. Bumper Ads sind daher vielmehr ein Beleg für die Einsicht, dass das bei der Kommunikation 1 zu X nicht immer gelingt. Doch reicht es einfach alle vermeintlich wichtigen Botschaften in das enge 5-Sekunden-Korsett zu zwängen und damit für den Betrachter ‚unüberspringbar‘ zu machen? Sicher nicht!
Doch wie gelingt grundsätzlich ein guter Werbespot? Worauf kommt es an?
Ein beliebter erster Kandidat bei der Suche nach dem Schlüssel hinter einer gelungenen Werbung ist oft deren Aufmerksamkeitsbindung bzw. die immerwährende Frage: „Schafft es meine Werbung aus der Masse hervorzustechen?“ Bei Kreativagenturen geht beinah täglich der Wunsch ein, man möge doch bitte für die Marke XY einen disruptiven, Aufsehen erregenden Werbespot schaffen, dem es gelingt sich von anderen Spots abzuheben.
Doch erstens ist das für dieses Werbeformat von nachrangiger Bedeutung, da Bumper Ads meist nicht unmittelbar in einem Werbeblock um Aufmerksamkeit konkurrieren, sondern isoliert wirken müssen. Zweitens wird Aufmerksamkeit oft allein auf die visuelle Aufmerksamkeit reduziert. Bei einem Autounfall fällt es den meisten Menschen ja auch schwer wegzugucken, obwohl man beim Hinwenden höchst wahrscheinlich nur verstörende Bilder zu Gesicht bekommt. Auffallen um jeden Preis kann also nicht der Schlüssel zum Erfolg sein.
Wie sieht es mit der Einprägsamkeit aus? Ebenfalls sehr beliebt beim Creative Briefing für eine Agentur: „Beim Betrachten soll etwas hängen bleiben.” Zunächst sollte man sich hier Fragen, ob es reicht, wenn einfach nur etwas hängen bleibt. Denn so sehr sich einzelne Elemente (wie Figuren, Szenen oder Musik) auch in den Kopf des Betrachters brennen mögen, am Ende zählt nur, ob das auch mit der werbenden Marke verknüpft wird und ob es eine positive oder negative Assoziation herstellt.
Ein dritter Ansatz, der sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit erfreut und auf der Wunschliste an Kreativagenturen ganz oben steht, ist die Emotionalisierung des Betrachters. Der Spot soll bei potenziellen Kunden und Konsumenten Emotionen wecken und sie bewegen. Doch welche Emotionen sind dabei die richtigen? Müssen die Betrachter lauthals lachen oder eine Träne verdrücken um sich dem Gesehenen zuzuwenden? Und im Digitalumfeld, kann ich überhaupt mit kurzen Formaten emotionalisieren? All diese Fragen werden oft recht stiefmütterlich behandelt, dabei entscheiden sie über Erfolg oder Misserfolg.
Heißt das jetzt, dass werbetreibende und kreativagenturen seit jahren auf dem holzweg sind?
Keines Wegs! Es heißt nur, dass oft eine ganzheitliche und systematische Betrachtung der genannten Erfolgsfaktoren fehlt. Aufmerksamkeitsbindung, Erinnerbarkeit und Emotionalisierung, alle diese Faktoren sind auch im digitalen Umfeld entscheidend, denn sie folgen Jahrtausende alten Wirkprinzipien unseres Gehirns! Doch ohne diese Prinzipien und ihr Zusammenspiel zu verstehen, kommen Werbetreibende und Kreativagenturen teilweise zu abenteuerlich falschen Schlüssen.
Durch die Fortschritte der neurowissenschaftlichen Forschung in den letzten Jahrzehnten wissen wir heute, dass Emotionen tatsächlich der Schlüssel jeder erfolgreichen Kommunikation sind. Für Bumper Ads gilt das also genauso wie für den klassischen 30-Sekünder.
Wissenschaftlich mittlerweile unstrittig – auch wenn es viele nach wie vor nicht wahr haben wollen – ist, dass die meisten unserer Entscheidungen und Handlungen ihren Ursprung im Unterbewusstsein haben. So auch alle der drei im Vorangegangenen diskutierten Erfolgsfaktoren. Erfolgreiche Werbung kann also nur wirken, wenn sie auf der unterbewussten Ebene dir richtigen Knöpfe drückt.
Ungeachtet des Werbeumfelds oder Formates, geht es darum bei Kunden und Konsumenten bedeutsame Erinnerungen zu schaffen. Es ist also wichtig sie durch die Werbebotschaften emotional zu erreichen während die Botschaften gleichzeitig an bestehende Gedächtnisinhalte zur Marke anknüpfen können müssen. Emotionen ohne eine Gedächtnisaktivierung sind reines Entertainment, eine Gedächtnis-aktivierung ohne Emotionen ist reine Information.
Wer hingegen beides gelichzeitig aktiviert, dem gelingt es unweigerlich auch die Aufmerksamkeit der Betrachter auf sich zu ziehen und der erhöht gleichzeitig auch die Wahrscheinlichkeit das Verhalten der Betrachter zu beeinflussen.
Eine weitere wichtige Komponente für einen erfolgreichen Werbespot, die unterschätzt und daher meist vernachlässigt wird, ist die ist die Verarbeitungskomplexität. Ein zu komplexes Edit mit vielen schnellen Schnitten beispielsweise, kann dazu führen, dass die Betrachter von dem Werbespot überfordert werden, wodurch sie die emotionale Bindung verlieren oder wesentliche Botschaften nicht abspeichern können.
Bumper Ads sind meist allein schon aufgrund des Zeitdrucks sehr überladen, da man die kostbare ‚unüberspringbare‘ Zeit möglichst voll nutzen möchte. Doch selbst die klassische Werbung kann einen Betrachter schon überfordern. Nehmen wir einen beliebigen Autowerbespot. Um die Agilität und Dynamik des beworbenen Modells zu zeigen, wird es oft in unterschiedlichen Landschaften und aus vielen verschiedenen Perspektiven gezeigt, teils mit wechselnden Fahrern, Farben und/oder Modell-varianten. Doch unser Gehirn ist für eine solche Reizflut gar nicht gerüstet. Es musste zu keiner Zeit in der Evolution mit einer derart großen Datenmenge umgehen. Die Folge ist, dass wir unserem Unterbewusstsein mehr und mehr die Kontrolle überlassen.
Warum?
Unser Gehirn macht nur etwa 3% unseres Körpergewichtes aus, verbraucht aber bis zu 25% der uns täglich zur Verfügung stehenden Energie. Daher versucht es so oft es geht Energie zu sparen. Das limbische System als Sitz unseres Unterbewusstseins ist evolutionär gesehen deutlich älter und arbeitet wesentlich engergieeffizienter als unser aktives Bewusstsein, welches im sogenannten Neokortex angesiedelt ist. Emotionen sind Teil unseres Unterbewusstseins. Sie filtern unsere Umwelt nach Relevantem und blenden alles andere gewissermaßen aus, somit sind sie in entscheidender Weise an der Aufmerksamkeitsteuerung beteiligt. Relevant ist erst einmal alles, was Belohnung verspricht. Ein solches Belohnungsversprechen, kann natürlich auch von einer Werbebotschaft ausgehen. Damit wir die Werbebotschaft dann aber auch abspeichern, muss sie an bestehende Gedächtnisinhalte anknüpften können. Sie muss also auch unterbewusst klare Assoziationen zur beworbenen Marke anstoßen. Gelingt das nicht, wird die Botschaft falsch zugeordnet oder geht sogar ganz verloren.
Stellen Sie sich daher stets die Frage: „Gefällt Ihnen Ihre Werbung bloß, oder ist sie auch hirngerecht?“ Einfachheit ist zum Beispiel ein oft unterschätzter Treiber für das Verhalten. Vermeiden Sie also schnelle Schnitte und/oder eine komplexe Handlung, um die Informationen leichter zugänglich zu machen. Denn nur das, worauf sich die Menschen einlassen und worauf sie sich beziehen können, wird in ihrem Langzeitgedächtnis gespeichert.
(NEU-)Land in sicht!
Wie also können Marken diese Erkenntnisse nutzen, um ansprechende 5-Sekunden-Spots zu erstellen? Letztendlich gibt es kein Standardrezept, das Vermarkter anwenden können, um erfolgreiche Anzeigen zu erstellen. Durch den Einsatz neurowissenschaftlicher Methoden können Vermarkter jedoch die Elemente einer Anzeige identifizieren, die bei ihrer Zielgruppe am besten ankommen. Nielsens Team für Verbraucher-Neurowissenschaften verwendet eine Kombination aus EEG und Eye-Tracking, um eine Werbung Sekunde für Sekunde auf ihre unterbewusste Wirkung zu untersuchen. Die gewonnenen Erkenntnisse können dann zur Optimierung und/oder Kürzung genutzt werden.
Dadurch ist es also auch möglich aus einem klassischen TV-Spot, von 30 Sekunden Länge, kürzere Fassungen wie Bumper Ads zu generieren, indem man die effektivsten Szenen identifiziert und den Cut-Down dann um diese Szenen herum aufbaut. Ganz nebenbei bedient sich diese Herangehensweise eines wesentlichen Erfolgsrezeptes der Markenbildung, nämlich einen konsistenten Auftritt über alle Touchpoints hinweg zu schaffen.
Sie sind neugierig geworden und wollen mehr über diese Methode erfahren? Dann melden Sie sich gerne unter: marcel.bartling@nielsen.com